Nach der Reichsgründung 1871 wurden die deutschen Einzelstaaten unter preußischer Vormacht zum Deutschen Kaiserreich vereinigt. Im selben Jahr trat die erste gesamtdeutsche Verfassung in Kraft. Folgende Artikel wurden darin für die Bürgerinnen und Bürger vereinbart:
S. M. der König von Preußen im Namen des Norddeutschen Bundes, S. M. der König von Bayern, S. M. der König von Württemberg, S. Königl. Hoheit der Großherzog von Baden und S. Königl. Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein für die südlich vom Main gelegenen Teile des Großherzogtums Hessen schließen einen ewigen Bund zum Schutz des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechtes sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen und wird nachfolgende Verfassung haben. […]
Artikel 5: Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrat und den Reichstag. Die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend. […]
Artikel 6: Der Bundesrat besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes, unter welchen die Stimmführung sich in der Weise verteilt, dass Preußen mit den ehemaligen Stimmen von Hannover, Kurhessen, Holstein, Nassau und Frankfurt 17 Stimmen führt, Bayern 6, Sachsen 4, Württemberg 4, Baden 3, Hessen 3, Mecklenburg-Schwerin 2, Braunschweig 2, die übrigen je 1, zusammen 58 Stimmen. […]
Artikel 7: Der Bundesrat beschließt: 1. über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen, und die von demselben gefassten Beschlüsse; 2. über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen. […]
Artikel 11: Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt. Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen. Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich, es sei denn, dass ein Angriff auf das Reichsgebiet oder dessen Küsten erfolgt. […] Artikel 12: Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrat und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen. […]
Artikel 15: Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte steht dem Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist. […]
Artikel 20: Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor. […]
Artikel 63: Die gesamte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehl des Kaisers steht. […]
Artikel 68: Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden teil desselben in Kriegszustand erklären. […]
Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871.