Der Preußische Heereskonflikt prägte Bismarcks ersten Amtsjahre als Ministerpräsident in Preußen. In einer Programmrede sprach dieser am 30. September 1862 vor der Budgetkommission des Preußischen Abgeordnetenhauses über die Aufstockung des Militäretats. Die sogenannte “Blut und Eisen”-Rede wurde in den Tageszeitungen in indirekter Form wiedergegeben:
Von einer “Bewilligung” des Etats sei in unserer Verfassung nicht die Rede, dieser Ausdruck komme in der Verfassung nicht vor! Unsere Verfassung habe das Prinzip der “Vereinbarung” in Form des Gesetzes; der Artikel der Verfassung, wonach das Herrenhaus den Etat verwerfen könne, sei doch keine bloße Phrase; eine “verfassungsmäßige Kraft” könne er bis jetzt den Beschlüssen des Hauses der Abgeordneten nicht beimessen. Eine Vertagung des Landtags liege nicht in der Absicht der Regierung. Er erlaube sich die Frage, was mit dem Beschlusse des Hauses wegen des Etats für 1862, wenn er denselben als unabänderlich feststehend betrachte, geschehen solle; ob die Regimenter zu entlassen seien und dergleichen? Die vorjährigen Beschlüsse des Hauses seien doch der Fortdauer der Reorganisation nicht ungünstig gewesen. Die Regierung sei ohne ihre Schuld in der jetzigen Lage. Die Krisis, so ernst sie werden könne, werde doch zu tragisch aufgefaßt, von der Presse zu tragisch dargestellt, als wenn nun alles vorbei sei; aber die Regierung suche keinen Kampf, “wir sind Kinder desselben Landes”, eine Krisis werde nach außen schwächen; könne die Krisis mit Ehren beseitigt werden, so biete die Regierung gern die Hand dazu. Das sei kein Programm, sondern eine persönliche Äußerung, die aus gutem Herzen komme; man möge sie hinnehmen als die Worte eine Mannes, der mit den Abgeordneten an einem gemeinsamen Werke arbeite.
Er wolle gern auf den Etat für 1862 eingehen, ohne jedoch eine präjudizierliche Erklärung abzugeben. Ein Mißbrauch von Verfassungsrechten könne von allen Seiten getrieben werden; das führe dann zur Gegenwirkung von der anderen Seite. Die Krone z. B. könne zwölfmal hintereinander auflösen, das sei gewiß nach dem Buchstaben der Verfassung erlaubt, würde aber doch Mißbrauch sein. Ebenso könne sie Streichungen des Budgets zurückweisen, ohne Maß; da sei die Grenze schwer zu ziehen; sei sie schon bei 6 Millionen? bei 16? oder bei 60? – Es gebe Mitglieder des Nationalvereins, eines wegen der Gerechtigkeit seiner Forderungen zu Ansehen gelangten Vereins – hochachtbare Mitglieder, die alle stehenden Heere für überflüssig erklärten. Ja, wenn nun eine Volksvertretung diese Ansicht hätte! Müsse nicht eine Regierung das zurückweisen?! – Von der “Nüchternheit” des preußischen Volkes sei die Rede gewesen. Ja, die große Selbstständigkeit des einzelnen mache es schwierig in Preußen, mit der Verfassung zu regieren (oder die Verfassung zu konsolidieren?); in Frankreich sei das anders, da fehle diese individuelle Selbstständigkeit. Eine Verfassungskrisis sei keine Schande, sondern eine Ehre. – Wir sind ferner vielleicht zu “gebildet”, um eine Verfassung zu tragen; wir sind zu kritisch; die Befähigung, Regierungsmaßregeln, Akte der Volksvertretung zu beurteilen, ist zu allgemein; im Lande gibt es eine Menge katilinarischer Existenzen, die ein großes Interesse an Umwälzungen haben. Das mag paradox klingen, beweist aber doch alles, wie schwer in Preußen verfassungsmäßiges Leben ist. – Man ist ferner empfindlich gegen Fehler der Regierung; als wenn es genug wäre, zu sagen, der und der Minister hat Fehler gemacht, als wenn man nicht selbst mitlitte? – Die öffentliche Meinung wechsle, die Presse sei nicht die öffentliche Meinung; man wisse, wie die Presse entstände; die Abgeordneten hätten die höhere Aufgabe, die Stimmung zu leiten, über ihr zu stehen. Wir haben zu heißes Blut, wir haben die Vorliebe, eine zu große Rüstung für unsern schmalen Leib zu tragen; nur sollen wir sie auch utilisieren.
Nicht auf Preußens Liberalismus sieht Deutschland, sondern auf seine Macht; Bayern, Württemberg, Baden mögen dem Liberalismus indulgieren, darum wird ihnen doch keiner Preußens Rolle anweisen; Preußen muß seine Kraft zusammenfassen und zusammenhalten auf den günstigen Augenblick, der schon einige Male verpaßt ist; Preußens Grenzen nach den Wiener Verträgen sind zu einem gesunden Staatsleben nicht günstig; nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut. […]
Auszüge zitiert nach: Otto von Bismarck, Reden, 1847 bis 1869, Bd. 10, bearbeitet von Wilhelm Schüßler, Berlin 1928, S. 139f.