Das Deutsche Kaiserreich erwarb als “verspätete Nation” erst in den 1880er Jahren Kolonien in Afrika. Daher gründeten sich private Vereine, die sich für neue deutsche Siedlungsgebiete einsetzten. Friedrich Fabri war ein “Vater der deutschen Kolonialbewegung”. Seit 1857 war er Direktor der “Rheinischen Missionsgesellschaft” in Barmen. Im Jahr 1879 erschien die erste Auflage seines Buchs “Bedarf Deutschland der Colonien?”. Die folgenden Thesen stammen aus einer im Jahr 1883 überarbeiteten Auflage:
Es dürfe nachgerade wirklich an der Zeit sein, die Frage: “Bedarf Deutschland der Colonien?” zur öffentlichen Verhandlung zu bringen. Schon einmal, unter dem ersten Freudenrausch über das neu gebildete Deutsche Reich, im Jahre 1871/72, durchflogen unsere Presse flüchtige Rufe nach Colonien […]. Sowohl die Reichs-Regierung wie die öffentliche Meinung verhielten sich damals ablehnend, sodass der schwache Anlauf rasch wieder verflogen war. Heute liegen die Dinge wesentlich anders. Wie uns scheint, drängt Vieles auf die ernste Erwägung der vorstehend aufgeworfenen Frage; wie uns scheint, ist die öffentliche Stimmung infolge unserer gesamten Entwicklung während der letzten Jahre gegenwärtig völlig geneigt, der Frage, ob dem Deutschen Reiche Kolonialbesitz not tue, mit lebhafter Teilnahme sich zuzuwenden. Die Gründe für diesen Stimmungswechsel sind unschwer zu erkennen. Vornehmlich drei Gesichtspunkte dürften in fraglicher Richtung bestimmend wirken: unsere wirtschaftliche Lage, die Krisis unserer Zoll- und Handelspolitik und unsere sich mächtig entwickelnde Kriegsmarine. […]
Es ist im neuen Reiche Vieles bereits so verbittert, von unfruchtbarem Parteihader versäuert und vergiftet, dass die Eröffnung einer neuen, verheißungsvollen Bahn nationaler Entwicklung wohl auf Vieles wie befreiend, weil den Volksgeist nach neuen Seiten mächtig anregend, zu wirken vermöchte. Auch das wäre erfreulich und ein Gewinn. Gewichtiger freilich noch ist die Erwägung, dass ein Volk, das auf die Höhe politischer Machtentwicklung geführt ist, nur so lange seine geschichtliche Stellung mit Erfolg behaupten kann, als es sich als Träger einer Kulturmission erkennt und beweist. Dies ist zugleich der einzige Weg, der auch Bestand und Wachstum des nationalen Wohlstandes, die notwendige Grundlage dauernder Machtentfaltung, verbürgt. Die Zeiten, in denen Deutschland fast nur durch intellektuelle und literarische Tätigkeit an den Aufgaben unseres Jahrhunderts mitgearbeitet hat, sind vorüber. Wir sind politisch und sind auch mächtig geworden. Aber die politische Macht, wo sie als Selbstzweck in den Vordergrund der Strebungen einer Nation sich drängt, führt zur Härte, ja zur Barbarei, wenn sie nicht den ideellen, den sittlichen, wie ökonomischen Kulturaufgaben ihrer Zeit zu dienen bereit und willig ist. […]
Als das Deutsche Reich vor Jahrtausenden an der Spitze der Staaten Europas stand, war es die erste Handels- und Seemacht. Will das neue Deutsche Reich seine wiedergewonnene Machtstellung auf längere Zeiten begründen und bewahren, so wird es dieselbe als eine Cultur-Mission zu erfassen und dann nicht länger zu zögern haben, auch seinen colonisatorischen Beruf aufs Neue zu betätigen.
zitiert nach: Friedrich Fabri, Bedarf Deutschland der Colonien? Eine politisch-ökonomische Betrachtung, 1879, 3. Ausgabe Gotha 1883.
Am 28. März 1884, kurz nach Gründung der “Gesellschaft für deutsche Kolonisation”, schrieb der Kolonialist Carl Peters:
Die deutsche Nation ist bei der Verteilung der Erde, wie sie vom Ausgang des 15. Jahrhunderts bis auf unsere Tage hin stattgefunden hat, leer ausgegangen. Alle übrigen Kulturvölker Europas besitzen auch außerhalb unseres Erdteils Stätten, wo ihre Sprache und Art feste Wurzel fassen und sich entfalten kann. Der deutsche Auswanderer, sobald er die Grenzen des Reiches hinter sich gelassen hat, ist ein Fremdling auf ausländischem Grund und Boden. Das Deutsche Reich, groß und stark durch die mit Blut errungene Einheit, steht da als die führende Macht auf dem Kontinent von Europa: Seine Söhne in der Fremde müssen sich überall Nationen einfügen, welche der unsrigen entweder gleichgültig oder geradezu feindlich gegenüberstehen. Der große Strom deutscher Auswanderung taucht seit Jahrhunderten in fremde Rassen ein, um in ihnen zu verschwinden. Das Deutschtum außerhalb Europas verfällt fortdauernd nationalem Untergang.
In dieser für den Nationalstolz so schmerzlichen Tatsache liegt ein ungeheurer wirtschaftlicher Nachteil für unser Volk! Alljährlich geht die Kraft von 200.000 Deutschen unserem Vaterland verloren! Diese Kraftmasse strömt meistens unmittelbar in das Lager unserer wirtschaftlichen Konkurrenten ab und vermehrt die Stärke unserer Gegner. Der deutsche Import von Produkten tropischer Zonen geht von ausländischen Niederlassungen aus, wodurch alljährlich viele Millionen deutschen Kapitals an fremde Nationen verloren gehen! Der deutsche Export ist abhängig von der Willkür fremdländischer Zollpolitik. Ein unter allen Umständen sicherer Absatzmarkt fehlt unserer Industrie, weil eigene Kolonien unserem Volke fehlen. […] Jeder Deutsche, dem ein Herz für die Größe unserer Nation schlägt, ist aufgefordert, unserer Gesellschaft beizutreten. Es gilt, das Versäumnis von Jahrhunderten gutzumachen, der Welt zu beweisen, dass das deutsche Volk mit der alten Reichsherrlichkeit auch den alten deutschnationalen Geist der Väter übernommen hat!
Quelle: Jürgen Petschull, der Wahn vom Weltreich, Hamburg 1984, S. 162.
Im Jahr 1912 schrieb Paul Rohrbach, ein nationalistischer Schriftsteller, in seinem Buch “Der deutsche Gedanke in der Welt” über Deutschlands Rolle als führende neue Weltmacht:
Wollen wir also vom deutschen Gedanken in der Welt reden, so meinen wir den sittlichen Idealgehalt des Deutschtums als gestaltende Kraft im gegenwärtigen wie im zukünftigen Weltgeschehen, und gehen dabei mit Bewusstsein von der Überzeugung aus, dass wir dazu in das Spiel der Weltkräfte hineingestellt sind, um sittliche Tüchtigkeit nicht nur für uns, sondern auch für die ganze Menschheit zu erarbeiten und zu bewähren. Nach diesem Prinzip also glauben wir, und nach keinem andern, geschieht die dauernde Auslese der Tüchtigsten unter den Völkern, die dazu gelangen, ein Stück Menschheitsfortschritt zu verwirklichen, indem sie der Welt den Stempel ihrer nationalen Idee aufdrücken. […]
Wir wachsen und mehren uns, aber nicht in einem weiträumigen Lande, das Überfluss an allem hat, was man zum Leben braucht: an Feldfrucht, Bodenschätzen und Rohstoffen, sondern wir sind in enge und keineswegs günstige Grenzen gepresst und müssen von Jahr zu Jahr mehr Gut aus der Ferne herbeischaffen, um satt zu werden und unsere Maschinen in Gang zu halten. Mit jedem Jahr wächst derjenige Teil unseres Volkes, der sein Dasein nur fristen kann, wenn Materialien eingeführt und Fabrikate ausgeführt werden, fast um eine Million. Unser Schulwissen und alle sonstige Bildung, unsere Technik, Erfindungsgabe und Kunst, unsre Gründlichkeit und Exaktheit, hier und da vielleicht auch schon etwas freien Geschmack, legen wir in den Wandlungsprozess hinein, der amerikanisches Holz und spanisches Metall, ägyptische Baumwolle und australisches Mohair, Kautschuk vom Kongo und Ochsenhäute vom La Plata bei uns zu Fabrikaten für den Weltmarkt umschafft. Den Weltmarkt! – ihn brauchen wir jetzt schon für unsere Existenz ebenso nötig wie unsere eigene Scholle, und unerbittlich kommt der Tag näher, an dem wir ihn noch nötiger brauchen werden als sie. Nur aber, wenn mit unserem eigenen Wachstum auch Anteil und Ertrag an Weltmarkt und Weltwirtschaft für uns zunehmen, können wir gesund bleiben; nur dann vermögen wir die innere Werte, die aus unserer nationalen Idee herauswachsen, auch sich entfalten, aufblühen und als gestaltende Faktoren der Weltkultur wirken zu lassen. Aufhören des Wachstums wäre für uns eine Katastrophe nach außen wie nach innen, denn es könnte unter unsern heutigen Verhältnissen auf keine Weise ein freiwilliges oder natürliches sein, sondern erst dann sich ereignen, wenn ein anderes Volk oder eine Vereinigung von Völkern uns derartig zu Boden geworfen hat, dass wir auf lange Zeit hinaus siech werden.
zitiert nach: Paul Rohrbach, Der deutsche Gedanke in der Welt, Düsseldorf/Leipzig 1912, S. 6ff.