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Den Begriff DIN-Norm dürfte jeder kennen: Er ist im Alltag weit verbreitet. Wer zum Beispiel Papier kauft, greift zu Varianten wie DIN A4 oder DIN A5. Doch woher stammen diese Normen? Welche Organisation beschließt sie? Und welche Ziele verfolgt diese Normung?
In Deutschland weisen die DIN-Normen eine lange Tradition auf. Seit über einhundert Jahren entwickelt das Deutsche Institut für Normung entsprechende Standards. Zugleich unterliegen die Normungsprozesse einem Wandel. Heute spielen die Europäisierung und die Internationalisierung eine wichtige Rolle. Die deutsche Organisation übernimmt zum Beispiel viele Regelungen der europäischen Ebene, diese Normen sind mit dem Zusatz EN gekennzeichnet.
Dem Deutschen Institut für Normung kommt aber weiterhin eine große Bedeutung zu. Erstens etabliert es europäische und internationale Normen hierzulande. Zweitens gehört Deutschland zu den führenden Industrieländern der Welt. Deutsche Unternehmen zeichnen sich durch Innovationskraft aus, mit ihren Erfindungen und Weiterentwicklungen schaffen sie fortwährend Normungsbedarf. Die deutsche Organisation erhält deshalb vielfältige Normungsanträge, die Normungsprozesse einleiten und in der Regel mit der Veröffentlichung einer neuen Norm enden.
Seit 1917: Deutsches Institut für Normung
Die heute bestehende Organisation geht auf den am 22.12.1917 gegründeten Normenausschuss der deutschen Industrie zurück. Der damalige Name zeigt auf, dass es sich vornehmlich um eine Einrichtung der Industriebranche handelte. Bereits 1926 änderten die Verantwortlichen die Bezeichnung in Deutscher Normenausschuss. Sie wollten damit verdeutlichen, dass der Anspruch über die Belange der Industrie hinausgingen.
Der aktuelle Name DIN Deutsches Institut für Normung e.V. basiert auf einem Vertrag, den die Organisation 1975 mit dem deutschen Staat geschlossen hat. Dieser Normenvertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Institut für Normung und der Bundesrepublik. Mit dem Vertrag erkannte der Staat die Normen offiziell an: Sie waren aber auch zuvor schon weitgehend akzeptiert.
Warum gab es Bedarf für diesen Vertrag? Im Gegensatz zu einem verbreiteten Irrtum handelt es sich bei den DIN-Normen um keine behördlichen Regelungen. Um diese Aufgabe kümmert sich mit dem Deutschen Institut für Normung eine privatwirtschaftliche Organisation. Die DIN-Normen sind auch nicht rechtlich verpflichtend, sie gelten auf freiwilliger Basis
Was leisten Normungsorganisationen?
Das Deutsche Institut für Normung erarbeitet in vielfältigen Bereichen unterschiedliche Arten von Normen wie Prüfnormen, Produktnormen, Dienstleistungsnormen und Verfahrensnormen. Diese DIN-Normen dienen der Standardisierung und erleichtern Unternehmen sowie Verbrauchern ihren Alltag.
Die Normung kann sich auf eine Vielzahl an Aspekten beziehen. Bei Produkten vereinheitlichen die Verantwortlichen zum Beispiel die Maße sowie den grundlegenden Aufbau. Speziell bei Elektrogeräten und elektronischen Geräten sorgt die Organisation unter anderem dafür, dass Stecker und Steckdosen kompatibel sind.
Die Normung leistet auch bei der Standardisierung von Prozessen wertvolle Dienste. In diesem Fall legt das Deutsche Institut für Normung fest, wie Unternehmen und andere Akteure einen bestimmten Prozess systematisch vorbereiten und durchführen. Solche Normen gibt es für Herausforderungen wie das Umweltschutzmanagement.
Deutsches Institut für Normung: Organisation
Das Deutsche Institut für Normung agiert als eingetragener Verein, bei dem ausschließlich juristische Personen Mitglied werden dürfen. Die Mitgliedschaft setzt sich aus vielfältigen Akteuren zusammen – dazu gehören:
- Wirtschaftsverbände
- Organisationen des Verbraucherschutzes
- Verbände der Wissenschaft
- staatliche Institutionen
- Prüfinstitute
Voraussetzung für eine Mitarbeit ist, dass die jeweiligen Organisationen zu den sogenannten interessierten Kreisen zählen. Dieser Begriff beschreibt alle, die ein unmittelbares Interesse an den Ergebnissen von Normungsprozesse haben.
Mit der Mitgliederversammlung und dem Präsidium verfügt das Deutsche Institut für Normung über zwei wichtige Gremien. Die eigentliche Arbeit findet aber in den Normenausschüssen statt. Rund siebzig Ausschüsse kümmern sich um die Normungsprozesse in den einzelnen Teilbereichen. Beispiele sind:
- DIN-Normenausschuss Holzwirtschaft und Möbel
- DIN-Normenausschuss Bauwesen
- DIN-Normenausschuss Materialprüfung
Grundlagen und Ablauf der Normung
Die Normungsverfahren basieren auf mehreren Prinzipien. Besondere Erwähnung verdienen folgende Aspekte:
- Beteiligung aller interessierten Kreise: Das Institut will sicherstellen, dass sämtliche Betroffene in den Normungsprozess involviert sind. Unterschiedliche Verbände vertreten hierbei die Interessen der jeweiligen Zielgruppen. So arbeiten im Deutschen Institut für Normung zum Beispiel Wirtschafts- und Verbraucherverbände zusammen. Die Interessen der Verbraucher vertritt unter anderem die Verbraucherzentrale.
- Konsensfindung: Bei der Entwicklung von DIN-Normen gilt das Konsensprinzip. In den Normenausschüssen kommt es zu keinen Kampfabstimmungen. Das beruht auf der Annahme, dass Normen nur bei einem Konsens die gewünschte Akzeptanz finden.
- Arbeit auf Antrag: Ein wichtiger Punkt ist, dass alle Akteure interessierter Kreise einen Normungsantrag stellen können. Die Antragssteller müssen kein Mitglied des Deutschen Instituts für Normung sein.
Nach dem Eingang eines Antrags beginnt die Arbeit des Normungsinstituts. Mit der konkreten Prüfung des Antrags befassen sich Arbeitsausschüsse oder Technische Komitees, die Bestandteil der Normenausschüsse sind. Antragssteller können die Anträge formlos einreichen.
Normung: Standardisierung als Ziel
Sämtliche Normungsprozesse dienen der Vereinheitlichung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen. Diese Standardisierung erweist sich für alle Akteure in den Bereichen Wirtschaft, Verbraucher, Wissenschaft und Staat als vorteilhaft. Sie führt zu zahlreichen Vorzügen wie Kostenersparnis, Kompatibilität und Vergleichbarkeit.
Aus Sicht von Unternehmen ergeben sich folgende Vorteile:
- Die Normung erleichtert die Markteinführung neuer Produkte. Firmen können sich bei Aspekten wie den Maßen an den vorliegenden DIN-Normen orientieren. Zugleich können sie sicher sein, dass ihre Produkte kompatibel sind. Ein Papierhersteller kann sich darauf verlassen, dass sich sein Papier mit dem entsprechenden DIN-Format problemlos in Druckern und Kopiergeräten verarbeiten lässt. Es passt auch in normierte Briefumschläge. Diese Standardisierung gewährleistet, dass die Papierfabrik auf eine breite Nachfrage am Markt trifft.
- Unternehmen profitieren auch davon, dass Lieferanten genormte Produkte liefern. Das erleichtert die Verwendung und Weiterverarbeitung. So bestellen Elektriker zahlreiche genormte Komponenten wie Stecker und Kabel, die sie anschließend in einem Gebäude installieren.
- Die Standardisierung erhöht die Effizienz von Firmen. Das gilt unter anderem für standardisierte Prozesse. Will ein Unternehmen die Qualitätssicherung professionalisieren, muss es hierfür keine eigene Methode entwickeln. Es kann die Vorgaben der entsprechenden Norm umsetzen.
Die Normungsverfahren erfüllen viele weitere Ziele, die auch der Allgemeinheit zugutekommen. Vor allem Verbraucher zählen zu den Gewinnern der Standardisierung. In vielen Produktbereichen reduziert die Vereinheitlichung die Abhängigkeit von einem einzelnen Hersteller. Standardisierte Stecker und Steckdosen ermöglichen zum Beispiel, dass Verbraucher Zubehörartikel herstellerunabhängig kaufen. Für Besitzer eines Smartphones bedeutet das: Sie müssen Zusatzartikel wie einen Kopfhörer oder eine Powerbank nicht vom Hersteller des Smartphones erwerben. Das liegt auch im Interesse des Staates, der den Wettbewerb fördern möchte.
DIN-Normen, Staat und Recht
Auch der deutsche Staat fördert die Standardisierung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen. Das Bundeswirtschaftsministerium bezeichnet die Normungspolitik explizit als unverzichtbaren Bestandteil der Wirtschafts- und Innovationspolitik.
Vielfach bezieht sich der Gesetzgeber in Gesetzen und Verordnungen auf DIN-Normen. In diesen Fällen schreibt er die Einhaltung der entsprechenden Normen vor. Die grundsätzlich freiwilligen Normen erlangen damit Rechtsverbindlichkeit. Davon macht der Gesetzgeber vor allem Gebrauch, wenn er technische Details regeln will. Dank DIN-Normen erspart er sich komplizierte Erläuterungen: Die Nennung der jeweiligen Norm im Rechtstext genügt. Verweise auf diese Normen finden sich zum Beispiel im Baurecht, Umweltschutzrecht und Energierecht.
Darüber hinaus ziehen Gerichte DIN-Normen bei Urteilen heran. Das gilt unter anderem für das Vertrags- und Haftungsrecht.
Internationalisierung der Normung
In den letzten Jahrzehnten haben zwei Entwicklungen die deutsche Wirtschaft geprägt:
- die Europäisierung im Rahmen der EU
- die Internationalisierung
Unternehmen sind heute international vernetzt, das trifft auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft in besonderem Maße zu. Entsprechend haben sich auch Normungsprozesse internationalisiert. Das geht mit zwei Folgen einher:
- Das Deutsche Institut für Normung arbeitet intensiv in europäischen und internationalen Normungsorganisationen mit. Auf EU-Ebene gibt es unter anderem das Europäische Komitee für Normung (CEN), als weltweite Vereinigung agiert die Internationale Organisation für Normung (ISO).
- Das Deutsche Institut für Normung übernimmt viele Regelungen der europäischen und internationalen Organisationen. Diese Normen lassen sich durch die Zusätze EN und ISO erkennen.
Kostenpflichtige Veröffentlichung der DIN-Normen
Das Deutsche Institut für Normung verfügt mit dem Beuth Verlag über eine Tochtergesellschaft, die Normen, Regelwerke und Fachliteratur zu den DIN-Normen veröffentlicht. Diese Publikationen erfolgen in Papierform und online. Der Service ist kostenpflichtig. Damit erfüllt der Beuth Verlag eine weitere Funktion: Mit seinen Einnahmen trägt er wesentlich zur Finanzierung des Instituts bei.
DIN-Normen: ein kurzer Ausblick
Momentan prägt die rasante Digitalisierung die Weltwirtschaft. Für Normungsorganisationen wie das Deutsche Institut für Normung bedeutet dies: Auch deren Arbeit wandelt sich. Mittlerweile beziehen sich viele Normungsverfahren auf Softwareprodukte, digitale Lösungen und die Folgen der Digitalisierung. Zugleich wird die Internationalisierung der Normen noch wichtiger, weil sich die Wirtschaft im digitalen Zeitalter zunehmend vernetzt.