Nach dem Aufruf von Papst Urban II. begann im Jahr 1096 der Erste Kreuzzug des lateinischen Christentums ins Heilige Land, um Jerusalem zurückzuerobern. Über die Eindrücke der dort angesiedelten Kreuzfahrer berichtete der Kleriker und Chronist Fulcher von Chartres (1059-1127), der selbst am Kreuzzug teilgenommen hatte:
Betrachte doch, wie Gott in unserer Zeit den Okzident in den Orient verwandelt hat: Wir waren Abendländer und sind jetzt zu Menschen des Morgenlandes geworden. Wer ursprünglich Römer oder Franzose war, ist hier ein Bewohner Galiläas oder Palästinas, und wer einst in Reims oder Chartres lebte, aus dem ist ein Bürger von Tyrus oder Antiochia geworden. Schon denken wir nicht mehr an unsere Herkunftsländer, und viele von uns kennen sie nicht einmal mehr. Der eine besitzt bereits ein eigenes Haus und Dienerschaft praktisch wie nach heimischem Erbrecht; der andere hat eine Frau geheiratet, die nicht etwa aus seinem Herkunftsland stammt, sondern eine Syrerin, Armenierin oder sogar eine Sarazenin [Muslimin] ist und die Gnade der Taufe empfangen hat. So mancher hat seinen Schwiegervater und seine Schwiegertochter bei sich oder seinen Schwiegersohn, Stiefsohn oder Stiefvater. Andere wiederum wohnen mit ihren Neffen oder Großneffen zusammen. Der eine besitzt Weinberge, der andere Felder. Man bedient sich abwechselnd verschiedener Sprachen, die den unterschiedlichen Völkerschaften bekannt und zum gemeinsamen Besitz geworden sind. Gegenseitiges Vertrauen verbindet Menschen, denen die Abstammung des jeweils anderen unbekannt ist. So steht geschrieben: “Der Löwe und das Rind teilen sich die gleiche Nahrung.” Wer früher ein Fremder war, ist quasi zu einem Einheimischen geworden.
Zitiert nach: Fulcher von Chartres: Historia Hierosolymitana, Kap. 37. In: Recueil des historiens des croisades. Historiens occidentaux. Bd. 3. Paris 1866, S. 468, übersetzt von M. Brabänder.