Nach seinem Exil kehrte der Revolutionär Lenin am 16. April 1917 wieder nach Russland zurück. In den sogenannten “Aprilthesen” erläuterte er die Aufgaben des Proletariats in einer Revolution. Wenige Monate später kam es in Russland zum Ausbruch der Russischen Revolution, die die Macht der Bolschewiki langfristig festigte:
1.) In unserer Stellung zum Krieg, der seitens Rußlands auch unter der neuen Regierung Lwow und Konsorten, infolge des kapitalistischen Charakters dieser Regierung, unbedingt ein räuberischer, imperialistischer Krieg bleibt, sind auch die geringsten Zugeständnisse an die “revolutionäre Vaterlandsverteidigung” unzulässig. Einem revolutionären Krieg, der die revolutionäre Vaterlandsverteidigung wirklich rechtfertigen würde, kann das klassen bewußte Proletariat seine Zustimmung nur unter folgenden Bedingungen geben: a) Übergang der Macht in die Hände des Proletariats; b) Verzicht auf alle Annexionen in der Tat und nicht nur in Worten; c) tatsächlicher und völliger Bruch mit allen Interessen des Kapitals […].
2.) Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Rußland besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungenügend entwickelten Klassenbewußtseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft legen muß […].
3.) Keinerlei Unterstützung der Provisorischen Regierung, Aufdeckung der ganzen Verlogenheit aller ihrer Versprechungen, insbesondere hinsichtlich des Verzichts auf Annexionen. Entlarvung der Provisorischen Regierung staat der unzulässigen, Illusionen erweckenden “Forderung”, diese Regierung, die Regierung der Kapitalisten, solle aufhören, imperialistisch zu sein.
4.) Anerkennung der Tatsache, daß unsere Partei in der Mehrzahl der Sowjets der Arbeiterdeputierten in der Minderheit, vorläufig sogar in einer schwachen Minderheit ist […]. Solange wir in der Minderheit sind, leisten wir die Arbeit der Kritik und Klarstellung der Fehler, wobei wir gleichzeitig die Notwendigkeit des Übergangs der gesamten Staatsmacht an die Sowjets der Arbeiterdelegierten propagieren, damit die Massen sich durch die Erfahrung von ihren Fehlern befreien.
5.) Keine parlamentarische Republik – von den Sowjets der Arbeiterdeputierten zu dieser zurückzukehren wäre ein Schritt rückwärts -. sondern eine Republik der Sowjets der Arbeiter-, Landarbeiter- und Bauerndeputierten im ganzen Lande, von unten bis oben […].
6.) Im Agrarprogramm Verlegung des Schwergewichts auf die Sowjets der Landarbeiterdeputierten. Beschlagnahme der gesamten Ländereien der Gutsbesitzer. Nationalisierung des gesamten Bodens im Lande; die Verfügungsgewalt über den Boden steht den örtliche Sowjets der Landarbeiter- und Bauerndeputierten zu […].
7.) Sofortige Verschmelzung aller Banken des Landes zu einer Nationalbank und Einführung der Kontrolle über die Nationalbank durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten.
8.) Nicht “Einführung” des Sozialismus als unsere unmittelbare Aufgabe, sondern augenblicklich nur Übergang zur Kontrolle über die gesellschaftliche Produktion und Verteilung der Erzeugnisse durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten.
9.) Aufgaben der Partei: a) sofortiger Parteitag; b) Änderung des Parteiprogramms, in der Hauptsache: 1. über den Imperialismus und den imperialistischen Krieg; 2. über die Stellung zum Staat und unsere Forderung eines “Kommunestaates”; 3. Berichtigung des veralterten Minimalprogramms; c) Änderung des Namens der Partei.
10.) Erneuerung der Internationale. Initiative zur Gründung einer revolutionären Internationale, einer Internationale gegen die Sozialchauvinisten und gegen das “Zentrum” […].
Auszüge zitiert nach: W. Lautemann, M. Schlenke (Hg.), Geschichte in Quellen, Weltkriege und Revolutionen 1914-1945, Band 5, München 1961, S. 71-72.