Anlässlich des 40. Jahrestags der Gründung der DDR hielt SED-Generalsekretär Erich Honecker am 7. Oktober 1989 in Ost-Berlin eine feierliche Rede, in der er die Existenz und Notwendigkeit der DDR verteidigte. Damit konnte er jedoch den Zerfall seines Staatssystem nicht verhindern, da knapp einen Monat später der “Mauerfall” und schließlich die deutsche Wiedervereinigung erfolgten:
Liebe Freunde und Genossen! Verehrte ausländische Gäste! Meine Damen und Herren des diplomatischen Korps!
Vor 40 Jahren wurde der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden, die Deutsche Demokratische Republik, gegründet. Jeder, der das Glück hatte, an diesem historisch bedeutsamen Ereignis beteiligt zu sein, denkt nicht ohne Bewegung an die Tage zurück, in denen die Arbeiter und Bauern im Bunde mit der Intelligenz und allen Werktätigen im wahrsten Sinne des Wortes ihre Macht errichteten. Im Westen, wo das Potsdamer Abkommen mit Füßen getreten wurde, war, ohne das Volk zu fragen, ein Separatstaat entstanden. Dort wurde die Restauration der alten Gesellschaft in Gang gesetzt, der Aufbau einer neuen Wehrmacht mit den alten Generälen für die NATO vorbereitet. Die Vergangenheit blieb unbewältigt. Heute ist klarer denn je: Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik […] war geradezu eine geschichtliche Notwendigkeit. […]
Allen sei gedankt, die durch ihre Tatkraft, ihr Engagement, ihre Leistungen unseren sozialistischen deutschen Friedensstaat zu dem werden ließen, was er 40 Jahre nach seiner Gründung ist – ein Grundpfeiler der Stabilität und Sicherheit in Europa. […] Gerade zu einer Zeit, da einflussreiche Kräfte der BRD die Chance wittern, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsentwicklung durch einen Coup zu beseitigen, bleibt ihnen nur erneut die Erfahrung, daß an diesen Realitäten nichts zu ändern ist, daß sich die DDR an der Westgrenze der sozialistischen Länder in Europa als Wellenbrecher gegen Neonazismus und Chauvinismus bewährt. An der festen Verankerung der DDR im Warschauer Pakt ist nicht zu rütteln. Wenn der Gegner derzeit in einem noch nie gekannten Ausmaß seine Verleumdungen gegen die DDR richtet, dann ist das kein Zufall. In 40 Jahren DDR summiert sich zugleich die vierzigjährige Niederlage des deutschen Imperialismus und Militarismus. Der Sozialismus auf deutschem Boden ist ihm so unerträglich, weil die vordem ausgebeuteten Massen hier den Beweis erbringen, daß sie fähig sind, ihre Geschicke ohne Kapitalisten selbst zu bestimmen. […] Im scharfen Kontrast zu unserer Politik stehen revanchistische Forderungen von Politikern der BRD, die weltweit auf Sorge und Protest stoßen. Da ist die Rede vom “Fortbestand” des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937″. Die Nachkriegsordnung wird in Frage gestellt, die These von der angeblich offenen deutschen Frage lauter vorgebracht als früher. Die Neubelebung der Alleinvertretungsanmaßung der 50er und 60er Jahre gipfelt in der sogenannten “Obhutspflicht für alle Deutsche”. Auch in dieser Hinsicht ist der Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen revanchistischen Bonner Politikern und den erstarkenden Neonazis offenbar beträchtlich. […]
Die zügellose Verleumdungskampagne, die derzeit, international koordiniert, gegen die DDR geführt wird, zielt darauf ab, Menschen zu verwirren und Zweifel in die Kraft und die Vorzüge des Sozialismus zu säen. Dies kann uns nur darin bestärken, auch in Zukunft alles zu tun für ein friedliches europäisches Haus. Das Zusammenleben und die Zusammenarbeit der Staaten verschiedener sozialer Ordnung in einem solchen Haus sollen sich gut entfalten. Dafür besteht in der Schlussakte von Helsinki sowie den anderen KSZE-Dokumenten eine solide Grundlage. Wir werden aber niemandem gestatten, diese Vereinbarungen zur Destabilisierung des Sozialismus zu missbrauchen. Strikte Achtung der Souveränität, der territorialen Integrität, der Unabhängigkeit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten sind unverzichtbar. […] Auch im fünften Jahrzehnt wird der sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden durch sein Handeln zum Wohle des Volkes, durch seinen Beitrag zum Frieden, Sicherheit und internationaler Zusammenarbeit ständig neu beweisen, daß seine Gründung im Oktober 1949 ein Wendepunkt war – in der Geschichte des deutschen Volkes und Europas. Es lebe der 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik!
Auszüge zitiert nach: Neues Deutschland, Organ des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 9.10.1989, Seite 3f.