Die Pariser Verträge von 1954 waren ein elementarer Bestandteil der Westintegration von Bundeskanzler Konrad Adenauer. Sie gaben der BRD ihre Souveränität zurück und fügten sie politisch, wirtschaftlich und militärisch in die westliche Staatengemeinschaft ein. Diesbezüglich äußerte sich Adenauer in einer Regierungserklärung am 15. Dezember 1954 vor dem Bundestag:
Eines der bedeutsamsten Ergebnisse der Pariser Konferenz, das auch die Grundlage für alle weiteren Beschlüsse über die deutsche Beteiligung an der gemeinsamen Verteidigung Europas und der atlantischen Staatengruppe bildet, ist die Wiederherstellung der deutschen Souveränität im Bereiche der Bundesrepublik. Die Bundesregierung weist nachdrücklich die Behauptung zurück, dass die Spaltung Deutschlands durch die Wiederherstellung der Souveränität für einen Teil Deutschlands vertieft oder verhärtet werde. Sie hat auch bei der Neuformulierung der Vertragstexte sorgfältig darauf Bedacht genommen, dass jene Elemente der Vier-Mächte-Vereinbarungen von 1945 unberührt bleiben, die die Bewahrung der staatlichen Einheit Deutschlands und seine Wiedervereinigung betreffen. Nur aus diesem Grunde hat sie der Aufrechterhaltung der Verantwortlichkeit der drei Westmächte für Berlin, die Wiedervereinigung und den Friedensvertrag […] zugestimmt. […]
[Die Bundesregierung ist] nach wie vor der Überzeugung, dass jede übersteigerte Form nationalstaatlichen Souveränitätsdenkens geschichtlich überholt und verderblich wäre. Sie sieht in der wiedergewonnenen Souveränität eine erweiterte politische Selbstständigkeit, Verantwortlichkeit und Handlungsfähigkeit, die ihr erlauben, mit größerer Wirksamkeit und Überzeugungskraft die schon bisher erstrebten Ziele zu verfolgen: die Wiedervereinigung Deutschlands und die Einigung Europas.
Bisher werden wichtige […] Entscheidungen, die [Deutschland] direkt berühren, zumindest formal in Abwesenheit der Bundesregierung getroffen, da wir die volle Souveränität und Gleichberechtigung noch nicht besitzen. In Zukunft [wird] die Bundesregierung […] in der Lage sein, als Mitglied der westlichen Gemeinschaft die Rechte und Pflichten bei der Beschlussfassung […] wie die anderen Staaten zu übernehmen.
Zitiert nach: Herbert Krieger, Materialien für den Geschichtsunterricht, Bd. VI, Frankfurt/M. 1997, S. 267f.
Entgegen Adenauers Regierungserklärung regte sich in den Reihen der SPD (als Oppositionspartei) Widerstand, da die Sozialdemokraten in den Pariser Verträgen eine deutsche Wiedervereinigung gefährdet sahen. Der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer hielt vor dem Bundestag am selben Tag folgende Rede:
Wir waren und wir sind der Meinung, dass […] vor der Entscheidung über […] Formen eines militärischen Beitrags der Bundesrepublik zunächst ein neuer ernsthafter Versuch unternommen werden sollte, in Vier-Mächte-Verhandlungen die Möglichkeiten einer befriedigenden Lösung der deutschen Frage zu prüfen. Es gibt unter den Pariser Dokumenten keine Vereinbarung über die gemeinsame Politik zur Verwirklichung des Ziels der deutschen Wiedervereinigung; im Gegenteil, in Paris ist zwar nicht schriftlich, aber tatsächlich festgelegt worden, dass neue Verhandlungen mit der Sowjetunion über das Problem der deutschen Einheit erst nach der Ratifizierung der Verträge ins Auge gefasst werden sollen. […] Damit ist eindeutig der Aufrüstung der Bundesrepublik der Vorrang vor der Wiedervereinigung gegeben worden.
Nun hat die Sowjetregierung in ihrer letzten Note vom 9. Dezember eindeutig erklärt, dass nach der Ratifizierung der Pariser Verträge Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung gegenstandslos sein werden. Sie sagt weiter, es sei ein Irrtum, anzunehmen, dass man nach der Ratifizierung mit größerer Erfolgsaussicht über die deutsche Frage verhandeln könne. […]
Die Stellungnahme, dass man nach der Ratifizierung auf Verhandlungen drängen werde und dass, wie der Herr Bundeskanzler heute morgen gemeint hat, die Sowjets dann auch zu Verhandlungen bereit sein werden, ist keine Antwort auf die jetzt gegebene Situation […]. Wir können es vor dem deutschen Volke nicht verantworten, dass wir das unbestreitbare Risiko eingehen, dass nach der Ratifizierung der Verträge Verhandlungen über die Wiedervereinigung nicht mehr möglich sind und dass wir dann vor der Tatsache eines endgültigen gespaltenen Deutschlands stehen. […]
Zitiert nach: Herbert Krieger, Materialien für den Geschichtsunterricht, Bd. VI, Frankfurt/M. 1997, S. 267f.