Die westdeutsche Tageszeitung “Frankfurter Allgemeine Zeitung” (FAZ) berichtete am 11. November 1989 unter der Überschrift “Mauer und Stacheldraht trennen nicht mehr” über die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze – bzw. den sogenannten “Mauerfall” :
Die elementare Kraft des Volkes hat die Berliner Mauer in der Nacht vom 9. auf den 10. November ins Wanken gebracht. Zehntausende von Ost-Berlinern strömten zu Fuß oder im eigenen Auto über die Sektorenübergänge in Berlin nach West-Berlin. […] Jubelnd begrüßten West-Berliner an den Kontrollpunkten ihre Mitbürger aus dem anderen Teil der Stadt. […] Einander Unbekannte lagen sich in den Armen, Tränen in den Augen. Die Ost-Berliner Grenzsoldaten […] kapitulierten bald vor dem Ansturm, öffneten alle Tore und ließen die Menschen ungehindert passieren. Selbst durch das Brandenburger Tor – wo es keinen Übergang gibt – kamen die Menschen aus Ost-Berlin. Sie überkletterten einfach die Mauer, die hier niedriger ist. […] An den Übergängen nahmen viele West-Berliner die Gelegenheit wahr, ungehindert nach Ost-Berlin zu spazieren. Auf den Straßen – vor allem auf dem Kurfürstendamm, der morgens um drei schwarz von Menschen war – und in den Lokalen im Westteil der Stadt fand in der Nacht eine massenweise Wiedervereinigung der Berliner statt.
Das Bonner Innenministerium teilte am Mittag mit, daß in der Nacht zum Freitag nach der Öffnung der Grenzen etwa 12.000 Menschen aus der DDR die Gelegenheit zu einem kurzen Besuch im Westen genutzt hätten. Nach Schätzungen in Bonn sind 90 Prozent von ihnen in die DDR zurückgekehrt. […]
Am Freitagnachmittag kam der SPD-Ehrenvorsitzende Willy Brandt in die Stadt, in der er am 13. August 1961 Regierender Bürgermeister war. Die Ereignisse der Nacht hätten bestätigt, “daß die widernatürliche Trennung Deutschlands keinen Bestand hat”, sagte Brandt. “Wir sind jetzt in der Situation, wo zusammenwächst, was zusammengehört.” […] Danach fand am späten Freitagnachmittag eine Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus statt, auf der neben Brandt der aus Warschau ebenfalls nach Berlin geeilte Bundeskanzler Kohl, der Bundesaußenminister Genscher, der Regierende Bürgermeister Momper und Parlamentspräsident Wohlrabe sprechen sollten. Für den Abend hat die Berliner CDU zu einer Freiheitskundgebung vor der Gedächtniskirche aufgerufen, auf der der Bundeskanzler sprechen soll.
Im Laufe des Freitags ist der Zustrom von Ost-Berlinern nach West-Berlin nicht abgebbt. […] Am Freitagmorgen trafen sich an den Sektorenübergängen die Rückkehrer, die die Nacht in West-Berlin verbracht und zumeist gefeiert hatten und nun wieder in Ost-Berlin zur Arbeit gehen wollten, mit jenen, die von der Nachtschicht in Ost-Berlin kamen oder erst am frühen Morgen zum Teil in Familie und mit kleinen Kindern aufgebrochen waren.
Auszüge zitiert nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 263, 11.11.1989, S. 1.
Am selben Tag stellte die ostdeutsche und der SED nahestehende Tageszeitung “Neues Deutschland” unter der Überschrift “Resultat der neuen Reiseregelung: Zehntausende DDR-Bürger zu Kurzbesuchen in die DDR” die Geschehnisse folgendermaßen dar:
Rund 55.500 DDR-Bürger sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums bis zum Freitagabend in die BRD eingereist. Davon hätten sich 3250 als Übersiedler registrieren lassen. Die Öffnung der DDR-Grenze habe einen “unbeschreiblichen Ansturm” ausgelöst, schrieb die Nachrichtenagentur dpa. Am bayerischen Grenzübergang Rudolphstein wurden bis 18 Uhr 7758 Besucher und 623 Übersiedler gezählt. Unterdessen wachse die Zahl der Rückkehrer: Am Donnerstag seien von den Behörden 400 Menschen registriert worden, die seit dem Wochenende über die ČSSR nach Bayern gekommen waren. Ihre Gesamtzahl belaufe sich seit Sonntag auf 1300. Nach Angaben des Grenzschutzkommandos Süd in München sind nach Bayern bis Freitag 20 Uhr insgesamt knapp 20.000 Menschen gekommen. Lediglich 749 von ihnen hätten sich als Übersiedler registrieren lassen. Auch in Niedersachsen sprachen die Behörden von 20.000 DDR-Bürgern, die die Schlagbäume passierten. Bei der Wiedereinreise in die DDR habe sich der Fahrzeugverkehr an einigen Grenzübergängen kilometerweise gestaut. […] Am Vormittag war mitgeteilt worden, daß aus der ČSSR innerhalb von 24 Stunden bis zum Freitag früh 7000 Übersiedler in die BRD gekommen waren, 4000 weniger als am Vortag.
Auszüge zitiert nach: Neues Deutschland Nr. 266, 11./12.11.1989, S. 4.