Am 9. November 1918 wurde in Deutschland gleich zweimal die Republik ausgerufen. Es bildeten sich zwei Lager, die unterschiedliche politische Systeme errichten wollten: die MSPD und USPD. Während Philipp Scheidemann die parlamentarische Republik ausrief, proklamierte Karl Liebknecht wenige Stunden später die sozialistische Republik.
Vorgeschichte
Im Oktober 1918 war der Erste Weltkrieg für Deutschland so gut wie verloren. Im Zuge der Oktoberreformen wurde das Kaiserreich in eine parlamentarische Monarchie umgewandelt. Wenige Wochen später kam es – ausgelöst durch einen Matrosenstreik – zum Ausbruch der Novemberrevolution. Reichskanzler Max von Baden erklärte die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und übergab die Regierungsgeschäfte den demokratischen Parteien. Damit endete die Zeit des Kaiserreichs. Nun ging es um die Frage, wie Deutschlands politische Zukunft aussehen solle.1
MSPD und USPD
Zwischen 1914 und 1916 hatte sich die SPD in zwei Fraktionen gespalten. Während die MSPD dem Krieg zustimmte und nach gemäßigten Reformen strebte, befürwortete die USPD einen radikalen sozialistischen Umbruch nach Vorbild der Russischen Revolution. Als das Kaiserreich durch die Novemberrevolution gestürzt wurde, kam es nun zum Machtkampf zwischen den beiden Lagern. Mit dem Rat der Volksbeauftragten bildeten sie eine provisorische Regierung.
Ausrufung durch Scheidemann
Am 9. November 1918 rief MSPD-Politiker Philipp Scheidemann im Reichstagsgebäude gegen 14 Uhr die parlamentarische Republik aus. Kurz zuvor hatte er erfahren, dass Spartakusbund-Anhänger Karl Liebknecht ebenfalls die Republik ausrufen wolle. Aufgrund dessen trat Scheidemann spontan an das Fenster des Reichstagsgebäudes und verkündete an die Zuhörer seine Botschaft.2
Ausrufung durch Liebknecht
Zwei Stunden nach Scheidemanns Rede proklamierte Karl Liebknecht im Lustgarten vor dem Berliner Stadtschloss die sozialistische Räterepublik. Er grenzte sich deutlich von Scheidemanns politischen Ansichten ab und vertrat die Idee einer radikalen Revolution. Liebknechts Rede erzeugte allerdings nicht die gewünschte Wirkung, da die linksradikalen Sozialisten über keine ausreichende Machtbasis verfügten.
Folgen
Die doppelte Ausrufung der Republik blieb ein Problem, das durch den Rat der Volksbeauftragten gelöst werden sollte. Als beim Reichsrätekongress mehrheitlich für die MSPD entschieden wurde, brach diese Regierung zusammen. Im Januar 1919 versuchten die Linksradikalen beim Spartakusaufstand die MSPD-Regierung zu stürzen. Die gemäßigte MSPD schloss sodann mit den konservativen Militärs einen Pakt gegen linksrevolutionäre Aufstände. Auf den Wahlen zur Nationalversammlung wurde die Weimarer Republik eine parlamentarische Demokratie. Die Erfahrungen in Russland – Parteidiktatur, Bürgerkrieg, Terror – schreckte die Mehrheit schließlich vor einer sozialistischen Räterepublik ab.3