Das fachdidaktische Prinzip der Multiperspektivität im Geschichtsunterricht hat den Zweck, einen historischen Gegenstand aus verschiedenen Sichtweisen zu betrachten und sie miteinander zu vergleichen. Diese sollten in Form von Quellen und Darstellungen in den Unterricht eingebaut werden und die Lernenden zu kritischen Fragen an die erzählte Geschichte verleiten.
Theoretischer Zugang
Geschichte ist nicht objektiv, sondern von Zeitgenossen konstruiert. Um den Schülerinnen und Schülern diesen Aspekt vor Augen zu führen, muss der Geschichtsunterricht multiperspektivisch gestaltet werden. Eine problemorientierte Leitfrage könnte nicht ausreichend beantwortet werden, wenn der historische Sachverhalt nicht aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet wird. Multiperspektivität hilft darüber hinaus bei der Formulierung eines begründeten Sach- und Werturteils und macht die Lernenden mit den Normen einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft [Werteorientierung] vertraut.
Konsequenzen für den Unterricht
Ein multiperspektivischer Geschichtsunterricht erfordert die Bereitstellung verschiedener Quellen und Darstellungen. Mit Hinblick auf eine problemorientierte Leitfrage können auf diese Weise verschiedene Stimmen Gehör finden und von der Lerngruppe analysiert werden. Den Schülerinnen und Schülern wird dadurch bewusst, dass die Menschen damals (wie heute) unterschiedlich über ein bestimmtes Problem dachten und handelten. Auch aus geschichtskulturellen Kontroversen können differenzierte Perspektiven eingenommen und die Lernenden zum kritischen Hinterfragen, Abwägen und Urteilen angeregt werden.
Praxisbeispiel für den Unterricht
Multiperspektivität kann im Geschichtsunterricht in Form einer wissenschaftlichen Kontroverse eingebaut werden [Wissenschaftsorientierung]. Als Beispiel dient dafür die Kriegsschuldfrage im Rahmen des Ersten Weltkriegs. Die Lehrkraft muss den Schülerinnen und Schülern verschiedene Historikerurteile als Materialien bereitstellen, damit diese eine differenzierte Sichtweise auf die Ursachen des Ersten Weltkriegs einnehmen und selbstständig urteilen können. Um die Multiperspektivität zu untermauern, könnte die Stunde in der Vertiefungsphase um eine handlungsorientierte Methode (z. B. Podiumsdiskussion) erweitert werden. Dadurch versetzen sich die Lernenden in die Perspektive eines Historikers und erlernen die Werte einer demokratisch-pluralistischen Streitkultur.