Erster Weltkrieg: Kriegsschuldfrage

Bis heute ist die Kriegsschuldfrage des Ersten Weltkriegs eine kontroverse Diskussion unter Historiker/innen. Der Krieg tötete Millionen Menschenleben und markierte eine historische Zäsur. Als Folge des Versailler Friedensvertrags resultierte im Jahr 1933 der Aufstieg des Nationalsozialismus, der 1939 in einen Zweiten Weltkrieg führte. Daher gibt es unterschiedliche Thesen und Positionen, welcher Großmacht die eigentliche Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs zugeschrieben werden sollte.

Ursachen des Ersten Weltkriegs

In den Jahren vor 1914 entstand zwischen den europäischen Großmächten Frankreich, Großbritannien, Russland, Österreich und dem Deutschen Reich eine zunehmende Konkurrenz. Sie strebten nach Kolonien und versuchten ihren politischen bzw. wirtschaftlichen Einfluss weltweit auszudehnen. Es kam zu einem starken Wettrüsten. Die Haltung der Großmächte war sehr nationalistisch ausgeprägt. Unter ihnen kristallisierten sich zwei Bündnissysteme heraus – die “Mittelmächte” und die “Triple Entente“. Die Regierungen setzten auf Propaganda – so stellten sie sich als “Opfer” dar und versuchten die Aufrüstung als Vorbereitung für einen “Präventivkrieg” zu rechtfertigen.1

Deutschlands Rolle im Ersten Weltkrieg

Das Deutsche Reich war mit Österreich-Ungarn verbündet. Es erteilte seinem Bündnispartner im Juli 1914 den “Blankoscheck“, nachdem Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand von einem serbischen Nationalisten ermordet wurde [Attentat von Sarajevo]. Im Verlauf der Julikrise erfolgten zahlreiche gegenseitige Kriegserklärungen. Nach Kriegsausbruch marschierte die deutsche Armee in das neutrale Belgien und Luxemburg ein, um schnell nach Frankreich vorzudringen [Schlieffen-Plan]. In der Thronrede Kaiser Wilhelms II. wurde dieser Angriff als notwendiger “Präventivkrieg” dargestellt, um sich vor einem “Zweifrontenkrieg” zu verteidigen. Im deutschen Reichstag stimmte eine Mehrheit – selbst die SPD – für die Bewilligung von Kriegskrediten. Es herrschte eine allgemeine Kriegsbegeisterung. Hinsichtlich dieser Faktenlage kann dem Deutschen Reich eine bedeutende Schuld am Kriegsausbruch zugeschrieben werden.2

Bestimmungen des Versailler Vertrags

In Artikel 231 des Versailler Vertrags (1919) wurde dem Deutschen Reich die alleinige Schuld am Kriegsausbruch zugeschrieben. Dies war für die Siegermächte Frankreich und Großbritannien eine Grundlage für die anschließenden Reparationsforderungen und Einschränkungen, die die deutsche Regierung akzeptieren musste. Deutschland geriet in die politische Isolation und in eine langfristige wirtschaftliche Krise, die in der jungen Weimarer Republik als “Krisenjahre” bekannt wurden. Die hohe Verschuldung hatte letztlich den Aufstieg des Nationalsozialismus zur Folge. Mit der Machtübernahme des NS-Regimes im Jahr 1933 begann die Planung und Vorbereitung für einen neuen Weltkrieg, der 1939 ausbrach.3

Thesen und Positionen der Historiker/innen

In der Geschichtswissenschaft gibt es bis heute keine einheitliche Meinung darüber, welche Großmacht die Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs trägt. Einige Historiker/innen vertreten die These, dass die Militärs des Deutschen Reichs mit dem “Präventivkrieg” der “Triple Entente” bewusst zuvorkommen wollten und somit einen Krieg gezielt in Kauf nahmen. Der Historiker Fritz Fischer stellte die These der “Weltmachtpolitik” auf – auch diese geht von einer hauptsächlichen Kriegsschuld Deutschlands aus. Etwas differenzierter urteilt Historiker Christopher Clark. Er vertritt hingegen die “Schlafwandler-These“, die den Kriegsausbruch als zwingende Folge von Kettenreaktionen bewertet. Somit würden alle Staaten Schuld am Kriegsausbruch tragen. Schlussfolgernd kann davon ausgegangen, dass dem Deutschen Reich in jedem Fall eine Mitschuld zugeschrieben werden kann, da der Krieg billigend in Kauf genommen wurde. Umstritten bleibt, welche Rolle die anderen europäischen Großmächte im Vorfeld des Ersten Weltkriegs spielten. Die damaligen Militärs verfügten über viel Macht, die Bevölkerungen wurden mithilfe staatlicher Propaganda über die tatsächliche Faktenlage getäuscht.4

Übersichtsbild: Mobilmachung Extrablatt, 1. August 1914, Lizenz: Bundesarchiv, Bild 183-87802-0004 / CC BY-SA 3.0

Fabio Schwabe

Der Autor

Dieser Beitrag wurde am 17.02.2022 verfasst von Fabio Schwabe, Mettmann. Die aktuelle Version stammt vom 06.04.2022. Fabio Schwabe ist Gymnasiallehrer der Fachrichtung Geschichte und Gründer von Geschichte kompakt

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