Geschichtsunterricht soll Schülerinnen und Schüler zur politischen Mündigkeit erziehen und mit den Normen einer demokratisch-pluralistischen Ordnung vertraut machen. Diese Aufgabe wird mit dem fachdidaktischen Prinzip der Werteorientierung verwirklicht. Durch dieses erlangen die Lernenden Kenntnisse über das Grundgesetz und kommen in einem Werturteil zur Einsicht, dass die Vergangenheit von einem Wertewandel durchlaufen wurde.
Theoretischer Zugang
Damit der Geschichtsunterricht einen Beitrag zur politischen Bildung leisten kann, sollten die Werte des Grundgesetzes thematisiert und mit der Vergangenheit verglichen werden. Mit Operatoren wie “Stellung nehmen” oder “bewerten” können die Schülerinnen und Schüler ein Werturteil fällen und Aspekte wie Menschenrechte, Demokratie, Gleichheit, Meinungsfreiheit in Hinblick auf die Geschichte reflektieren. Unter Berücksichtigung des Beutelsbacher Konsenses darf den Lernenden das Grundgesetz allerdings nicht indoktriniert werden. Vielmehr geht es bei der Werteorientierung um eine kritische Auseinandersetzung mit der Herkunft und Entstehung der demokratisch-pluralistischen Ordnung.
Konsequenzen für den Unterricht
Die Einbindung des wertorientierten Prinzips erfordert eine Verknüpfung mit der Gegenwartsorientierung und Problemorientierung. Die Lehrkraft muss der Lerngruppe eine historische Frage stellen, damit diese sich kritisch mit ihr auseinandersetzen und einen Bezug zu den Werten des Grundgesetzes herstellen können. Im Mittelpunkt dieser Aufgabe steht die Erkenntnis, dass sich Werte innerhalb der Geschichte wandelten und auch das Grundgesetz erst im Jahr 1949 entstand. Je nach Aufgabe sollen die Schülerinnen und Schüler schließlich ein begründetes Werturteil anbahnen. Von der Lehrkraft sind daher exemplarische Quellen und Darstellungen auszuwählen, die einen kritischen und multiperspektivischen Zugang zum Grundgesetz ermöglichen.
Praxisbeispiel für den Unterricht
Als Praxisbeispiel für den werteorientierten Geschichtsunterricht eignet sich das Thema “Karl der Große und seine Kaiserkrönung im Jahr 800 – der Gründervater Europas?” In dieser Stunde erarbeiten die Schülerinnen und Schüler zunächst die Quellen über den Verlauf der Kaiserkrönung. Nach der Sicherung erhalten diese eine vertiefende Aufgabe, in der sie zu der anfangs gestellten Leitfrage ein begründetes Werturteil fällen sollen. Als Hintergrundwissen muss die Lerngruppe mit den freiheitlich-demokratischen Werten des Grundgesetzes (oder der EU) vertraut sein und auf dieser Grundlage Stellung zur Leitfrage nehmen. Idealerweise erkennen die Lernenden den Wertewandel der vergangenen Jahrhunderte und gelangen zur Einsicht, dass die freiheitlich-pluralistische Ordnung keine universale Selbstverständlichkeit besitzt.