Auf dem Vierten Kreuzzug geriet das eigentliche Ziel der westlichen Kreuzfahrer in den Hintergrund. Politische und wirtschaftliche Interessen der französischen und venezianischen Kämpfer wurden nun vorrangig befolgt und vertieften die Spannungen zwischen der griechisch-orthodoxen und katholischen Kirche. Sie plünderten Teile des Byzantinischen Reiches und begründeten dort 1204 ein eigenes Herrschaftsgebiet, das sogenannte Lateinische Kaiserreich.
Schisma zwischen Ost und West
Bedingt durch die Teilung und den Untergang des Römischen Reiches im Westen kam es zu einer kirchenpolitischen Spaltung zwischen der griechisch-orthodoxen Kirche im Byzantinischen Reich und der katholischen Kirche im lateinischen Westen. Nach der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800 stellten sich West und Ost in die Nachfolge des Römischen Reiches. Neben politischen Differenzen unterschieden sie sich auch in der theologischen Lehre des Christentums. Insbesondere die Streitigkeiten um die Dreifaltigkeit stellte die ursprüngliche Einheit der Kirche immer mehr in den Hintergrund. Um diese Einheit aber nicht aus dem Auge zu verlieren, dienten die Konzilien lange Zeit als Verhandlungsbasis zwischen Ost und West. Einen ersten Höhepunkt der Kirchenspaltung markierte das Morgenländische Schisma 1054, als sich ein Gesandter von Papst Leo IX. und Patriarch Michael I. gegenseitig exkommunizierten.
Kreuzzüge
1095 rief Papst Urban II. auf der Synode von Clermont zum Ersten Kreuzzug auf, durch den die Christen des Byzantinischen Reiches im Kampf gegen die Seldschuken geschützt werden sollten. Die Befreiung heiliger christlicher Stätten wie Jerusalem wurde ebenso als Ziel gesetzt. Trotz einiger Anfangserfolge erwiesen sich die weiteren Kreuzzüge in der Folgezeit als aufwendig und aussichtslos. 1198 proklamierte Papst Innozenz III. einen Vierten Kreuzzug, für den er vor allem französische Ritter und venezianische Seeleute rekrutieren ließ. Aufgrund wirtschaftlicher Interessen und der Kirchenspaltung zwischen Ost und West wendeten sich die Kreuzfahrer nun gegen Konstantinopel, das sie 1203 eroberten und dort ein eigenes Lateinisches Kaiserreich begründen. Den ganzen Artikel über die Kreuzzüge gibt es hier.
Lateinisches Kaiserreich
Nach der Eroberung Konstantinopels wurde das Byzantinische Reich in drei griechische und ein lateinisches Herrschaftsgebiet aufgeteilt. Dies wurde durch Venezianer und Franken vertraglich festgeschrieben. Beeinflusst durch venezianische Kreuzfahrer erhielt Balduin I. von Flandern die Herrschaftsberechtigung im Lateinischen Kaiserreich. Dieses Reich erstreckte sich über Thrakien, Bithynien und die ägäischen Inseln, andere Teile gerieten an Venedig und als Lehen an die Kreuzritter. Die skrupellose Unterwerfung der griechischen Kirche führte zu Hass und einem stärkeren Auseinanderleben zwischen Ost und West. Die Schwäche einer fehlenden Zentralmacht wurde aber schnell offensichtlich. Das durch die Teilung entstandene Kaiserreich Nikaia erstarkte in den Folgejahren und ließ Byzanz auf einen Stadtstaat schrumpfen. Nachdem das nikäisches Heer die Seldschuken aus Kleinasien vertreiben konnten, verdrängten sie 1261 auch die lateinischen Kreuzfahrer aus Konstantinopel. Damit ging die Epoche des Lateinischen Kaiserreichs unter dem letzten Kaiser Balduin II. zu Ende.
Folgen für Byzanz
Durch die lateinische Eroberung Konstantinopels wurde der Einheitsgedanke zwischen der griechisch-orthodoxen und katholischen Kirche so gut wie aufgegeben. Das Byzantinische Reich war mit seiner Hauptstadt Konstantinopel mittlerweile auf einen Stadtstaat geschrumpft. Neue Eroberungszüge der osmanischen Türken nutzten diese Schwäche nun stärker aus und eroberten 1453 schließlich Konstantinopel. Mit dem Untergang des Byzantinischen Reiches gelangten viele Gelehrte und Künstler nach Westeuropa. Ihr importiertes Wissen und erhaltene Quellen über die Antike führten im Westen schließlich zur Ausbreitung der Renaissance, mit der auch der Beginn der Epoche “Frühe Neuzeit” gleichgesetzt werden kann.