Im Zuge der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert ging die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Am Rande des Existenzminimums lebte die lohnabhängige Arbeiterschaft, die neben schlechten Arbeitsbedingungen einer strengen Fabrikordnung unterworfen war – wie das Beispiel der Maschinenfabrik Esslingen vom 1. August 1846 verdeutlicht:
Art. 1: Jeder angestellte Arbeiter ist gehalten sich mit einem polizeilichen Arbeitsbüchlein zu versehen, und dasselbe bei seinem Eintritt dem Aufseher seiner Werkstätte abzugeben.
Art. 2: Die Arbeitszeit ist für das ganze Jahr folgende: Von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags, von ein Uhr mittags bis sieben Uhr abends, mit Ausnahme des Montags nach einem Zahltage, wo die Arbeitsstunden folgende sind, von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags.
Art. 3: Tage an denen nicht gearbeitet wird sind folgende: 1. die Sonntage und üblichen Feiertage, 2. Faßnachtdienstag. […]
Art. 5: Während der Arbeitsstunden darf kein Arbeiter ohne Erlaubniskarte die Fabrik verlassen. Diese Erlaubniskarten sowohl zum Ein- als Austritte sind unter Angabe des Grundes vom Aufseher der Werkstätten zu verlangen.
Art. 6: Für jede Versäumnisse der im Art. 2 bestimmten Arbeitszeit wird dem Arbeiter so viel von seinem Lohn abgezogen als der Verdienst in der versäumten Arbeitszeit betragen hätte. Ausgenommen sind Krankheitsfälle worüber der Fabrikdirektor Bescheinigung zu geben hat, sowie ferner dringende Geschäfte, welche jedoch dem Aufseher anzuzeigen sind, und wovon sich derselbe nötigenfalls zu überzeugen hat. […]
Art. 11: Das Raufen in den Werkstätten und überhaupt im ganzen Etablissement ist strengstens verboten. Der Zuwiderhandelnde unterliegt einem Abzug von 30 Kreuzern. Wird ein Betrunkener im Etablissement angetroffen, so wird derselbe für die Dauer des Tages aus demselben verwiesen und um 1 fl bestraft. […]
Art. 14: Jedem Arbeiter ist es zu strengen Pflicht gemacht, seinen Vorgesetzten pünktlich Folge zu leisten und deren Anordnungen in Betreff der Arbeit, Behandlung der Werkzeuge zu vollziehen. Derjenige welcher schlechte Arbeit liefert wird mit einem der Beschaffenheit der Arbeit angemessenen Abzuge unterworfen, oder er kann angehalten werden, die fehlerhafte Arbeit durch gute wieder zu ersetzen, ohne hierfür eine Bezahlung ansprechen zu können. Ebenso wird derjenige bestraft, welcher fehlerhafte oder zerbrochene Stücke verwendet. Überhaupt ist es jedem Arbeiter zur strengen Pflicht gemacht, Fehler an den in Händen habenden Stücken oder Materialien dem Aufseher anzuzeigen. Wer dies unterläßt. kann für den daraus erwachsenden Schaden verantwortlich gemacht werden.
Art. 15: Jeder Arbeiter ist für die ihm übergebenen allgemeinen Werkzeuge, Materialien, Pläne und Zeichnungen verantwortlich, und hat dieselben nach ihrem Gebrauch an die dazu bestimmten Orte abzuliefern. […]
Art. 17: Wer ohne Erlaubnis Zeichnungen und Pläne aus der Fabrik mit nach Hause nimmt, hat einen Abzug von 5 fl zu gewärtigen. Ebenso ist es auch jedem Arbeiter bei Vermeidung eines Abzugs von zwei fl untersagt, für sich oder andere Leute Nebenarbeiten ohne Erlaubnis des Aufsehers zu machen. […]
Art. 23: Sämtliche bemerkte Abzüge fallen, insofern dieselben nicht als Ersatz für verdorbene Arbeit oder Materialien, oder für beschädigte Werkzeuge sind, der Krankenkasse anheim, über welche Kasse besondere Statuten bestehen. Zu dieser Krankenkasse hat jeder Arbeiter beizutragen. […]
Auszüge zitiert nach: Heilwig Schomerus, Die Arbeiter der Maschinenfabrik Esslingen, Stuttgart 1977, S. 315 ff.