Nach Ausbruch der Revolution 1848 tagte in der Frankfurter Paulskirche eine Nationalversammlung, die die Gründung eines deutschen Nationalstaates vorbereiten sollte. Für Ausersehen sorgte damals der tschechische Historiker und Politiker Franz Palacky, der trotz Einladung die Teilnahme an der Nationalversammlung ablehnte. Er forderte die Unabhängigkeit der slawischen Länder Böhmen und Mähren und brachte diese in seinem am 11. April 1848 erschienenen Absagebrief zum Ausdruck:
Ich kann Ihrem Rufe, meine Herren! weder in eigener Person, noch durch Abordnung eines anderen “zuverlässigen Patrioten” an meiner Statt, Folge leisten. Erlauben Sie mir, die mich bestimmenden Gründe Ihnen so kurz als möglich vorzutragen. Ich bin ein Böhme slawischen Stammes, und habe mit all dem Wenigen, was ich besitze und was ich kann, mich dem Dienste meines Volkes ganz und für immer gewidmet. Dieses Volk ist nun zwar ein kleines, aber von jeher ein eigenthümliches und für sich bestehendes: seine Herrscher haben seit Jahrhunderten am deutschen Fürstenbunde Theil genommen, es selbst hat sich aber niemals zu diesem Volke gezählt, und ist auch von Andern im Ablauf aller Jahrhunderte niemals dazu gezählt worden. Fordert man aber, dass über den bisherigen Fürstenbund hinaus nunmehr das Volk von Böhmen selbst mit dem deutschen Volke sich verbinde, so ist das eine wenigstens neue und jeder historischen Rechts-Basis ermangelnde Zumuthung, der ich für meine Person mich nicht berechtigt fühle, Folge zu geben, so lange ich dazu kein ausdrückliches und vollgültiges Mandat erhalte. Der zweite Grund, der mir verbietet, an Ihren Berathungen Theil zunehmen, ist der Umstand, dass nach Allem, was über Ihre Zwecke und Ansichten bisher öffentlich verlautet hat, Sie notwendiger Weise darauf ausgehen wollen und werden, Oesterreich als selbstständigen Kaiserstaaten untheilbar zu schwächen, ja ihn unmöglich zu machen. […] Sie wissen, dass der Süd-Osten von Europa, die Gränzen des russischen Reichs entlang, von mehren in Abstammung, Sprache, Geschichte und Gesittung merklich verschiedenen Völkern bewohnt wird, – Slawen, Walachen, Magyaren und Deutschen, um der Griechen, Türken und Schkipetaren nicht zu gedenken, – von welchen keines für sich allein mächtig genug ist, dem übermächtigen Nachbar im Osten in alle Zukunft erfolgreichen Widerstand zu leisten; das können sie nur dann, wenn ein einiges und festes Band sie alle mit einander vereinigt. Die wahre Lebensader dieses nothwendigen Völkervereins ist die Donau: seine Centralgewalt darf sich daher von diesem Strome nicht weit entfernen, wenn sie überhaupt wirksam sein und bleiben will. Wahrlich, existirte der österreichische Kaiserstaat nicht schon längst, man müsste im Interesse Europa’s, im Interesse der Humanität selbst sich beeilen, ihn zu schaffen.
Auszüge zitiert nach: Franz Palacky: Gedenkblätter, 1874, S. 149-155.