Durch die Gegensätze der USA und der Sowjetunion auf der Potsdamer Konferenz kam es 1949 zur Teilung Deutschlands. Im Jahr 1952 bot die sowjetische Regierung den Westmächten in den sogenannten Stalin-Noten einen Friedensvertrag an, der Deutschland wiedervereinigen und aus beiden Militärbündnissen lösen sollte. Bundeskanzler Adenauer lehnte dieses Angebot ab und begründete diese Entscheidung in seinen “Erinnerungen” :
Mit Recht forderte die SPD, und die Bundesregierung teilte diese Meinung uneingeschränkt, die Ausnutzung jeder Verhandlungsmöglichkeit auf Grund der Note der Sowjetregierung vom 10. März 1952. Als dann die sowjetische Note vom 9. April 1952 veröffentlicht wurde, sah die SPD diese Note als ausreichende Grundlage an, direkte Viererverhandlungen über die Deutschlandfrage aufzunehmen. Nach dem Urteil der Bundesregierung zeigten sich jedoch in dieser Note keine Anzeichen für erfolgversprechende direkte Vier-Mächte-Erörterungen über die Deutschlandfrage. Wie ich schon mehrfach betont habe, wollte auch ich Vier-Mächte-Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands, aber ich wollte sie erst dann, wenn sie tatsächlich Erfolg versprachen. Hierzu war es vor allem nötig, daß der Westen eine feste Ausgangsposition besaß. Bevor der Westen einschließlich Deutschlands in die Verhandlungen mit der Sowjetunion eintrat, mußte er geschlossen und einig sein. Ich sah den Deutschlandvertrag und den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft als unabdingbare Voraussetzung dafür an. Die SPD jedoch lehnte sowohl den Deutschlandvertrag als auch die EVG auf das schärfste ab.
Der Abschluß des Deutschlandvertrages und des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft war für mich eine Voraussetzung zu Verhandlungen mit der Sowjetunion, weil dadurch die Verhandlungen einen sicheren Kurs bekamen und nicht, wie üblich bei Verhandlungen mit Sowjetrußland, einfach ins Nebulose verliefen. Der Wille der Sowjetunion zu einer für uns Deutsche annehmbaren Verständigung war in dem bisherigen Verhalten der Sowjetunion nicht klar und eindeutig zutage getreten. Eine Aufgabe der bisherigen politischen Richtung der Sowjetunion würde auch in völligem Widerspruch zu den bisher klar gezeigten Zielen der sowjetischen Politik stehen. Den mit dem Eintritt in Verhandlungen mit der Sowjetunion als Konsequenz verbundenen Verhandlungsstop bezüglich der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und des Deutschlandvertrages glaubte ich nicht verantworten zu können. […]
Es gab nach wie vor nur eine einzige Möglichkeit, und zwar, daß wir mit aller Intensität versuchten, die Wiedervereinigung Deutschlands mit Hilfe der Westalliierten zu erreichen. Um die Hilfestellung der Westalliierten zu erlangen, mußten der Deutschlandvertrag und der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft oder ein Ersatz für diese verwirklicht werden. Wir mußten uns eng mit dem Westen verbinden. Wir mußten ein gleichberechtigter Partner der Westmächte werden, zu dem sie Vertrauen hatten, genauso wie wir Vertrauen zu ihnen haben mußten. Auf uns allein gestellt, würden wir nichts erreichen, mit dem Westen vereinigt, würden wir – das war meine Überzeugung – unsere Freiheit behalten und die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit im Laufe der Zeit verwirklichen. […]
Die Bundesrepublik befand sich in einer gefährlichen Lage. Ein falscher Schritt konnte uns das Vertrauen der Westmächte kosten, ein falscher Schritt, und wir waren lediglich Verhandlungsobjekt zwischen Ost und West. Ich bin überzeugt, daß mit dem letzteren den Deutschen in der Sowjetzone nicht geholfen und daß die Freiheit der Bürger der Bundesrepublik im höchsten Maße gefährdet worden wäre. Ich war und bin fest überzeugt, daß eine gesicherte Zukunft für uns Deutsche nur im festen Anschluß an die freien Völker des Westens gegeben war und ist, ich war und bin überzeugt, daß nur eine feste, entschlossene Politik des Anschlusses an den Westen eines Tages die Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit bringen wird.
Auszüge zitiert nach: Dr. Fritz Peter Habel, Dr. Helmut Kistler: Entscheidungen in Deutschland 1949-1955, Hof/Saale 1977, S. 76 f.