Nach den Friedensbeschlüssen des Versailler Vertrags war die Weimarer Republik außenpolitisch isoliert. Zum wichtigen Wortführer der deutschen Außenpolitik wurde Gustav Stresemann, der die Beziehungen zu den europäischen Staaten wieder verbessern konnte. Dies zeigte sich vor allem anhand der Unterzeichnung der Locarno-Verträge am 16. Oktober 1925:
Die Vertreter der Deutschen, Belgischen, Britischen, Französischen, Italienischen, Polnischen und Tschechoslowakischen Regierung, die vom 5. bis zum 16. Oktober 1925 in Locarno vereinigt waren, um gemeinsam die Mittel zum Schutze ihrer Völker vor der Geißel des Krieges zu suchen und für die friedliche Regelung von Streitigkeiten jeglicher Art, die etwa zwischen einigen von ihnen entstehen könnten, zu sorgen, haben ihre Zustimmung zu den Entwürfen der sie betreffenden Verträge und Abkommen gegeben, die im Laufe der gegenwärtigen Konferenz ausgearbeitet worden sind un sich aufeinander beziehen: […]
Artikel 1: Die Hohen Vertragschließenden Teile garantieren jeder für sich und insgesamt, in der in den folgenden Artikeln bestimmten Weise die Aufrechterhaltung des sich aus den Grenzen zwischen Deutschland und Belgien und zwischen Deutschland und Frankreich ergebenden territorialen Status quo, die Unverletzlichkeit dieser Grenzen, wie sie durch den in Versailles am 28. Juni 1919 unterzeichneten Friedensvertrag oder in dessen Ausführung festgesetzt sind, sowie die Beobachtung der Bestimmungen der Artikel 42 und 43 des bezeichneten Vertrages über die demilitarisierte Zone.
Artikel 2: Deutschland und Belgien und ebenso Deutschland und Frankreich verpflichten sich gegenseitig, in keinem Falle zu einem Angriff oder zu einem Einfall oder zum Kriege gegeneinander zu schreiten. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn es sich handelt 1. um die Ausübung des Rechtes auf Selbstverteidigung, das heißt um den Widerstand gegen eine Verletzung der Verpflichtung des vorstehenden Absatzes oder gegen einen flagranten Verstoß gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles, sofern ein solcher Verstoß eine nicht provozierte Angriffshandlung darstellt und wegen Zusammenziehung von Streitkräften in der demilitarisierten Zone ein sofortiges Handeln notwendig ist; 2. um eine Aktion auf Grund des Artikels 16 der Völkerbundssatzung; 3. um eine Aktion, die auf Grund einer Entscheidung der Versammlung oder des Rates des Völkerbundes oder auf Grund des Artikels 15 Absatz 7 der Völkerbundssatzung erfolgt, vorausgesetzt, daß sich die Aktion in diesem letzten Falle gegen einen Staat richtet, der zuerst zum Angriff geschritten ist.
Artikel 3: Im Hinblick auf die von ihnen im Artikel 2 beiderseits übernommenen Verpflichtungen verpflichten sich Deutschland un Belgien sowie Deutschland und Frankreich auf friedlichem Wege, und zwar in folgender Weise, alle Fragen jeglicher Art zu regeln, die sie etwa entzweien und die nicht auf dem Wege des gewöhnlichen diplomatischen Verfahrens gelöst werden können […]
Artikel 4: […] Im Falle einer flagranten Verletzung des Artikels 2 des gegenwärtigen Vertrages oder eines flagranten Verstoßes gegen die Artikel 42 oder 43 des Vertrages von Versailles durch einen der Hohen Vertragschließenden Teile verpflichtet sich schon jetzt jede der anderen vertragschließenden Mächte, sobald ihr erkennbar geworden ist, daß diese Verletzung oder dieser Verstoß eine nicht provozierte Angriffshandlung darstellt, und daß im Hinblick sei es auf die Überschreitung der Grenze, sei es auf die Eröffnung der Feindseligkeiten oder die Zusammenziehung von Streitkräften in der demilitarisierten Zone, ein sofortiges Handeln geboten ist, demjenigen Teile, gegen den eine solche Verletzung oder ein solcher Verstoß gerichtet worden ist, sofort ihren Beistand zu gewähren. […]
Auszüge zitiert nach: W. Lautemann, M. Schlenke (Hg.), Geschichte in Quellen, Weltkriege und Revolutionen 1914-1945, Band 5, München 1961, S. 210-211.