Politische Karikaturen gehören neben den Quellentexten zu den grundlegenden “Werkzeugen” des Historikers. Dabei sollte wie immer stets nach der Intention des Zeichners gefragt werden. Die Karikaturanalyse lässt sich in drei Schritte unterteilen: Beschreibung, Analyse und Beurteilung. Am Ende steht der Erkenntnisgewinn: Was wollte der Autor im Hinblick auf seine persönliche Einstellung und den historischen Kontext mit der Darstellung seiner Karikatur (vermutlich) bezwecken?
Schritt 1: Beschreibung
Vor der Bildbeschreibung erfolgt eine kurze Information über das Thema, den Autor und das Erscheinungsjahr (mit einem groben Hinweis auf den historischen Kontext). Im ersten Schritt soll der Betrachter nur beschreiben, was er in der Karikatur sieht. Er gibt in eigenen Worten wieder, welche Perspektive der Zeichner für seine Karikatur gewählt hat. Zugleich werden die einzelnen Bildelemente benannt. Gibt es Gegenstände oder Menschen, und wenn ja, wie viele und wie werden sie dargestellt? Tritt jemand überproportional groß in Erscheinung? Anschließend kann auch auf die farbliche Gestaltung der Karikatur (z. B. Schattierungen) eingegangen werden.
Schritt 2: Analyse
Im zweiten Schritt geht der Betrachter auf die durch die Bildbeschreibung gewonnenen Erkenntnisse ein und interpretiert diese. An dieser Stelle soll erläutert werden, was die in der Karikatur dargestellten Perspektiven, Personen und Gegenstände symbolisch ausdrücken könnten. Beispielsweise lassen körperliche Eigenschaften (wie Schnurrbart, Glatze, Übergewicht) oder Kleidung (Krone, Uniform, Abzeichen) Rückschlüsse auf historisch bekannte Menschen zu. Gegenstände und Perspektiven können erklären, was der Autor mit seiner Zeichnung ausdrücken möchte. Ist es Kritik, Verherrlichung oder Satire? Anschließend sollen die Ergebnisse der Analyse zusammengefasst und in den historischen Kontext eingebettet werden. Welche politischen Verhältnisse spielten in dieser Zeit und wie stand der Autor dazu? An wen ist die Karikatur gerichtet?
Schritt 3: Beurteilung
Im dritten Schritt fällt der Betrachter ein begründetes Urteil. Es geht hier um die Frage, wie die dargestellten Bildelemente mit der historischen Wirklichkeit in Einklang zu bringen sind. Sind beispielsweise einige Eigenschaften provokant groß oder klein gezeichnet? Hat sich der Zeichner möglicherweise (bewusst) für eine übertriebene Darstellung entschieden – und wenn ja, warum? Schlussfolgernd sollte darauf geachtet werden, welche Intention der Autor mit der Karikatur verfolgt haben könnte. Mit Hinblick auf seine persönlichen Einstellungen und den historischen Kontext muss der Betrachter zum Urteil gelangen, welche Gründe für die Erstellung dieser Karikatur eine Rolle gespielt haben und was dies für den “Geist” dieser Epoche bedeutet.
Beispiel: “Der Lotse geht von Bord”
Auf Geschichte kompakt finden Besucherinnen und Besucher ein klassisches Beispiel der Karikaturanalyse. Die als “Der Lotse geht von Bord” betitelte Karikatur wurde von John Tenniel gezeichnet und erschien am 29. März 1890 in “The Punch”. Dabei geht es thematisch um Otto von Bismarcks Rücktritt als Reichskanzler im Deutschen Kaiserreich. Dargestellt ist neben Bismarck der seit 1888 regierende Kaiser Wilhelm II., der mit verschränkten Armen von einem Schiffsdeck auf den hinabsteigenden Bismarck blickt. Hier geht es zum Beispiel der Karikaturanalyse.
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